Nur wenige wissen, dass die große Mehrheit der Juden, ob religiös oder nicht, den Zionismus ablehnen, der Ende des 19. Jahrhunderts aufkam. Diese Ablehnung besteht bis heute fort. In einem Gespräch mit Professor Yakov M. Rabkin, Autor eines Buches über den Zionismus, tauchen wir tiefer in diese Thematik ein.
Was ist Zionismus und wie unterscheidet er sich vom Judentum?
Zionismus und Judentum haben wenig miteinander gemein. Das Judentum ist eine uralte monotheistische Religion, die durch die Jahrhunderte viele Veränderungen erfahren hat und sogar das Christentum und den Islam hervorgebracht hat. Die jüdische Praxis verbreitete sich weltweit, und die jüdische Identität wurde zum prägenden Merkmal. Im Gegensatz dazu führten die Säkularisierung in Europa und später aufkommende rassistische Ideologien zur Entstehung eines säkularen Judentums – das heißt, Menschen, die von Geburt an als Juden gelten.
Die Kluft zwischen Zionismus und Judentum
Der Zionismus betrachtet Juden als eigenständiges Volk, unabhängig von den Ländern, in denen sie leben. Diese Definition wurde sowohl von vielen Juden als auch von der internationalen Gemeinschaft abgelehnt. Die zionistische Ideologie basiert auf der biologischen Herkunft der Juden, während das Judentum auf geistigen und religiösen Merkmalen beruht. In gewisser Weise stimmen die Ideen des Zionismus mit den Ansichten von Antisemiten überein, was zu Spannungen zwischen Juden und Zionisten führt.
Antizionismus versus Antisemitismus
Antisemitismus und Antizionismus sind nicht dasselbe. Antisemiten hassen Juden aufgrund ihrer jüdischen Identität. Antisemitismus ist eine Form von Rassismus, da Rassisten Menschen ausschließlich basierend auf ihrer Herkunft oder Hautfarbe definieren. Antizionisten hingegen hassen keine Juden an sich, sondern lehnen die politische Ideologie des Zionismus und die Aktionen des Staates Israel ab, die durch diese Ideologie legitimiert werden. In den letzten Jahrzehnten waren die meisten Angriffe auf Juden auf die Behandlung der Palästinenser durch Israel zurückzuführen.
Die Vielfalt innerhalb der jüdischen Gemeinschaft
Nicht alle Juden unterstützen den Staat Israel, und es ist ein weit verbreiteter Irrtum anzunehmen, dass alle Juden Zionisten sind. Tatsächlich gibt es weltweit mehrere zehn Millionen christliche Zionisten, während es höchstens 14 Millionen Juden gibt. Für viele christliche Zionisten ist der Staat Israel die Erfüllung biblischer Prophezeiungen. Sie unterstützen Israel aus religiösen Gründen, und ihr Glaube steht im Mittelpunkt dieser Unterstützung.
Die Herausforderung eines “jüdischen und demokratischen Staates”
Die Definition eines “jüdischen und demokratischen Staates” ist umstritten. Eine Demokratie, die ausschließlich für Juden gilt, ist kaum eine echte Demokratie. Innerhalb der israelischen Gesellschaft gibt es große Uneinigkeit über die Bedeutung eines jüdischen Staates. Einige sehen es als Erhaltung der jüdischen Mehrheit im Staat, andere betonen die Einführung religiöser Grundsätze in die Regierung und Gesetzgebung, während wieder andere die Ausbreitung jüdischer Siedlungen in den von der israelischen Armee besetzten palästinensischen Gebieten unterstützen, im Glauben an die baldige Ankunft des Messias.
Die Debatten über diese Themen haben in Israel zu Protesten geführt, bei denen säkulare Zionisten gegen Regierungsmaßnahmen auf die Straße gingen. Auch wenn sie politisch in der Minderheit sind, lehnen sie Gesetze ab, die den konservativen Mehrheitsstandpunkt widerspiegeln. Die Kluft zwischen den verschiedenen Strömungen innerhalb der Gesellschaft wird immer offensichtlicher.
Diese Zusammenhänge zwischen Zionismus und Judentum sind faszinierend und werfen wichtige Fragen auf. Es ist entscheidend, die Unterschiede zu verstehen und die Diskussion mit Respekt und Offenheit zu führen.