Dreadlocks in der zweiten Lebenshälfte
Lebenshälfte? Bei dem Begriff frage ich mich ja immer, woher der Autor oder die Autorin denn bitte weiß, wie lange ich leben werde? Aber “Dreadlocks im Alter” ist doch auch irreführend, da wir doch eh alle so alt sind, wie wir uns fühlen. In diesem Artikel soll es jedenfalls um die Generation Babyboomer, die echten 68er-Hippies, die Kinder ohne Tablet, die jetzigen Bestager, meine Eltern (oder deine Großeltern?), kurzum: Alle, die unter “Woodstock” nicht nur einen Kinofilm verstehen, gehen. Haben Dreadlocks eine Altersbeschränkung? Ist man irgendwann “zu erwachsen” für Dreads?
Während Instagram mir erzählt, dass die Follower des DreadFactory Kanals primär zwischen 18 und 35 Jahren alt seien, laufen mir im Alltag durchaus auch wesentlich jüngere, aber auch um einiges ältere Menschen mit Dreadlocks über den Weg. Die Instagram-Statistik ist an dieser Stelle natürlich auch herzlich sinnfrei, denn die meisten Instagram-User sind nun mal einfach genau in dieser Altersspanne. Aber Diagramme sehen so schön wissenschaftlich aus. In Wahrheit aber habe ich in meinen über sechzehn Jahren als Dreadstylistin bereits sehr jungen wie auch recht alten Menschen Dreadlocks gemacht und auch mein eigener Traum ist es, irgendwann schneewittchenweiße (oder gandalfgraue) Dreads zu tragen. Trotzdem kann aber auch ich bestätigen, dass die meisten meiner Kund*innen eher bis zu 45 Jahre alt waren. Was also bedeutet es, im Alter noch (oder schon) Dreadlocks zu tragen?
Dreads im besten Alter
Je älter Dreadlocks werden, umso schöner entwickeln sie sich bekanntlich. Das bedeutet also, dass, je älter ein Mensch ist, dieser auch das größere Potenzial zu den schöneren Dreadlocks hat. Wie es jedoch hier bei uns im mitteleuropäischem Deutschland ist, als Bestager Dreadlocks zu tragen, haben wir einmal die DreadFactory Stylistin Petra gefragt.
Petra über Dreadlocks im Alter
Petra, glaubst du, dass es Unterschiede gibt, je nachdem, in welchem Alter man Dreadlocks hat?
Ich glaube nicht, dass Dreadlocks etwas mit dem Alter zu tun haben. Jeder trägt die Frisur, die ihm gefällt und die er gerne haben möchte. So ist es auch mit den Dreadlocks.
Wie bist du denn zur DreadFactory gekommen?
Im Mai 2015 ging ich in den Ruhestand. Das war dann der Zeitpunkt, an dem ich mir einen schon lange gehegten Frisur-Wunsch erfüllte. Meine Tochter hat mir in stundenlanger Arbeit 280 Rastas geflochten. Ich war darüber super happy. Leider wuchsen die viel zu schnell raus und hätten eigentlich aufgemacht werden müssen. Ich konnte mich aber einfach nicht von meinen Zöpfchen trennen. Also habe ich jemanden gesucht, der mir die Ansätze zu Dreads häkelt. Ich habe lange gesucht. Immer bekam ich die gleiche Antwort – zuerst müssen die Rastas raus, dann kann man Dreads machen. Aber genau das wollte ich ja nicht.
Hast du schon vorher Dreads erstellt?
Meine Erfahrung mit dem Erstellen von Dreads beschränkte sich auf das Häkeln an meinen eigenen Haaren.
Wirst du oft auf deine Dreads angesprochen?
Ja, ich werde oft darauf angesprochen. Fremde Menschen sprechen mich auf der Straße an und loben meine Frisur. Natürlich werde ich auch nach Pflege und ähnlichem gefragt, aber die positiven Reaktionen sind einfach umwerfend.
Glaubst du, dass es Unterschiede gibt, je nachdem, in welchem Alter man Dreadlocks hat?
Ich glaube nicht, dass Dreadlocks etwas mit dem Alter zu tun haben. Jeder trägt die Frisur, die ihm gefällt und die er gerne haben möchte. So ist es auch mit den Dreadlocks.
Wie reagiert dein Umfeld auf deine Dreads?
Bevor ich mir die Rastas machen ließ, reagierte mein Umfeld sehr skeptisch: “Meinst Du, das passt zu Dir?” “Bist Du dafür nicht zu alt?” “Rastas passen doch nicht zu Deiner inneren Haltung?” “Du bist doch kein Hippie!” Das waren die Äußerungen meiner Umgebung und ich fragte mich, wie denn die innere Haltung sein muss, dass man Rastas (und später Dreads) tragen darf. Auch verstand ich nicht, warum ich zu alt sein sollte. Darf man mit 65 nicht mehr tragen und machen was man will? Früher, in meinem Beruf, hätte ich das auch nicht passend gefunden, da wollte ich zumindest äußerlich nicht aus der Norm fallen. Aber jetzt, im Ruhestand, warum sollte ich nicht machen dürfen, was ich will? Jetzt, nachdem jeder meine Dreads sehen kann, bekomme ich nur positive Rückmeldungen. Und wie ich ja schon erzählt habe, ich werde von wildfremden Menschen, jungen und älteren, Männern und Frauen, angesprochen, die mir einfach ganz spontan sagen möchten, dass sie meine Frisur “super toll, außergewöhnlich, sehr schön, mutig, zu mir passend, …” finden.
Was bedeuten Dreadlocks für dich?
Ich habe sehr dünne und auch wenige Haare. Um da ordentlich auszusehen benötigte ich immer sehr viel Zeit und häufige Friseurbesuche. Aber eigentlich wollte ich was einfaches, eine Frisur, die immer gut aussieht, ohne viel machen zu müssen. Mit meinen Dreads habe ich genau das. Außerdem mag ich nicht diese typische Frisur für ältere Frauen: Kurzhaarschnitt und grau. Grau sind meine Dreads auch, aber zu denen passt die Farbe auch – finde ich.
Vielen Dank liebe Petra für deine Zeit und dass du uns an deinen Erfahrungen teilhaben lässt. Petra ist Dreadstylistin im DreadFactory Standort Karlsruhe. Wenn du Lust hast, mehr über sie zu erfahren, schau einfach mal auf ihrer Profilseite vorbei.
Abschließend brauche ich glaube ich nicht erwähnen, dass es bei dem Wunsch nach Dreadlocks wohl weniger auf das Alter ankommt, sondern vielmehr auf Vorlieben. Trotzdem empfehlen wir, Kindern unter 14 Jahre erstmal nur einzelne Probedreads zu machen und je lichter die Haarpracht später wird, umso mehr muss die Dreadstylistin oder der Dreadstylist darauf achten, dass genug Volumen beim Dreaden erzeugt wird. Sind ausreichend Haare vorhanden, steht dem Traum von Dreadlocks aber nichts weiter entgegen. Ganz im Gegenteil: Dadurch, dass in unserer westlichen Welt Dreadlocks eher mit jüngeren Leuten assoziiert werden, haben sie sogar einen gewissen Verjüngungseffekt.